Rwenzururu

Die Flanken von Rwenzururu, dem Land des Schnees (Nzururu bedeutet Schnee, von H.M. Stanley zu Rwenzori gekürzt), werden neben anderen Volksstämmen hauptsächlich von dem Bergvolk der Bakonzo bewohnt. Ihr Siedlungsbebiet erstreckt sich aber auch in der Ebene bis zum Lake Edward und Lake George, um die Kraterseen mit ihrer Salzgewinnung, begrenzt durch den Kazinga Channel, und im Westen in das Tal des Semliki auf kongolesischem Staatsgebiet, wo sie als Banande bezeichnet werden. Beide werden auch unter dem Begriff der Bayira zusammengefaßt.


Geschichte

Uganda war in Königreiche von verschiedenen rivalisierenden Volksstämmen unterteilt. Die Einflußreichsten waren die Baganda um die heutige Hauptstadt Kampala und weiter im Westen die Banyoro. Anfang des 19.Jahrhunderts spaltete sich das Hirtenvolk der Batoro von den Banyoro ab. Sie zogen nach Südwesten und fanden im Kampf gegen die Angriffe der Banyoro Unterstützung durch die ansässigen und benachbarten Stämme.
Dort errichtete jedoch ihr Anführer Kaboyo ein Königreich nach dem Vorbild der Banyoro und der Vorherrschaft seiner ehemaligen Banyoro-Clans. Hingegen waren die Bakonzo als Bauern und Jäger politisch dezentralisiert in gleichberechtigte und manchmal auch verfeindete Clans aufgeteilt und weiter in selbständige Einheiten wie Familien, Dörfer und Höhenzüge.
Während des britischen Protektorats wurden die Grenzen zwischen dem englischen Uganda und dem belgischen Kongo gezogen und Uganda wurde willkürlich in Distrikte aufgeteilt. Weiters wurden die Batoro von den Engländern im Kampf gegen die sich den Kolonialherren widersetzenden Banyoro unterstützt und setzten Kasagama als König von Toro ein, dem auch das Gebiet der Bakonzo unterstellt wurde. Die Einführung des Geldes und Eintreibung von Steuern, die bei Zahlungsunfähigkeit in Form von Arbeitsdiensten abzuleisten waren, belasteten die freien Bauern schwer. Konflikte blieben nicht aus und gipfelten in den Jahren 1919-21 in ersten Revolten der Bakonzo, deren Clans sich das erstemal in der Geschichte vereinigten. Ihre Anführer wurden gefaßt und von einem „weißen“ Gericht zu Tode verurteilt.

Der Dekolonisierungsprozeß in Uganda gipfelte im Oktober 1962 in seiner Unabhängigkeit und der Präsidentschaft des Kabaka von Buganda mit dem Premierminister Milton Obote. Noch davor, am 30. Juni 1962, rief Isaya Mukirane, vereint mit den Baamba im Norden des Ruwenzori, die Unabhängigkeit vom Königreich der Batoro und des britischen Protektorats aus und bildete das Rwenzururu Freedom Movement.
Die Sezessionisten zogen sich in die Berge zurück und begannen mit Speeren, Pfeil und Bogen bewaffnet einen Guerilla Krieg gegen ihre Unterdrücker und das Militär Obotes. Isaya Mukirane verlagerte sein Hauptquartier auf die kongolesische Seite des Ruwenzori, wo er sich 1963 zum Omusinga Bwa Rwenzururu krönen ließ.

1966 starb Isaya Mukirane plötzlich im Alter von nur 41 Jahren.
Milton Obote stürzte mit Hilfe seines Generals Idi Amin den Präsidenten von Uganda, König Freddie Mutesa, und übernahm die Alleinregierung. Die Entziehung der Autonomie aller fünf anerkannten Bantu Königreiche war der nächste Schritt.
Im nicht anerkannten Königreich Rwenzururu wurde der erst 14 jährige Sohn Mukiranes Charles Wesley Mumbere zum Omusinga ernannt, um der Zentralregierung Obotes die Handlungsfähigeit des Rwenzururu Movement zu demonstrieren.

1971, während eines Auslandsaufenthaltes Obotes, putschte sich Idi Amin mit Hilfe seiner Armee an die Macht. Die Verfolgungen gingen weiter, jedoch konnte das Zentrum des Rwenzururu Movement, der Königspalast (Buhikira) in den Bergen gut versteckt, nicht ausfindig gemacht werden.
1976 wurde von Idi Amin der Distrikt Kasese von Toro abgespalten und weitgehende Autonomie wurde ihm zugestanden. Schließlich wurden die Truppen während des Krieges mit Tansania abgezogen und die politischen Wirren nach dem Sturz von Idi Amin brachten friedlichere Zeiten für das Königreich.

1980 kam wieder Milton Obote an die Macht, und Amon Bazira, ein gebürtiger Mukonzo und Minister Obotes erreichte Anerkennung und Autonomie von Rwenzururu, den „Abstieg“ aus den Bergen, die Wiedervereinigung und Aussöhnung und die Abdankung von Charles Wesley Mumbere im Jahre 1982 zu Gunsten der Republik Uganda.
Im Gegenzug erhielt er von der Regierung Haus und Geschäft in Kasese, Autos und Geld. Viele seiner Mitstreiter wurden in die ugandische Armee aufgenommen. 1984 erhielt er ein Stipendium für Studien in den USA, das ihm nach der Machtübernahme von Yoweri Museveni um Jahre 1986 entzogen wurde. Danach Asyl in den USA und Beschäftigung als Pfleger in einem Krankenhaus.

Unter der Regierung von Yoweri Museveni wurden 1993 die alten Bantu Königreiche auf Wunsch des Volkes wieder hergestellt, ohne politische Macht aber als kulturelle Institutionen.
Ab 1996 Terror der ADF (Alliance for Democratic Freedom), der sich auch die Reste von militanten Gruppen der Bakonzo anschlossen. Nach vierzehn Jahren im Exil wurde Charles Wesley Mumbere nach Kampala zurückberufen, um als Friedenstifter unter seinen Leuten aufzutreten. Gleichzeitig untermauerte er die Forderung nach Anerkennung seines Königreichs. Es dauerte noch bis 2009, als das Königreich Ruwenzururu von Yoweri Museveni, um die Bakonzo für seine Wahlen zu gewinnen, als kulturelle Institution anerkannt wurde.

Kultur

Ihre Sprache, Lhukonzo, zählt zu den Bantusprachen, die schriftlose Sprachen waren. Die Mythen und Stammesgeschichten wurden nur mündlich überliefert. Eine Übertragung in die lateinische Schrift erfolgte erst durch Missionare, die vor allem Bibeltexte nach Luganda übersetzten.
Der damalige Lehrer und spätere König Isaya Mukirane gründete um 1954, angeregt durch den britischen Journalisten Tom Stacey, die „Bakonzo Life History Research Society“ (Ekyerisondekania Ebikahabangana OkwaBakonzo). Das Ziel war, die Geschichte und Kultur des eigenen Volkes aufzuzeichnen und ins Bewußtsein der Öffentlichkeit und der Bevölkerung zu bringen unter anderem mit der Errichtung von Schulen in der eigenen Sprache.
Für die Verbreitung des Lhukonzo setzt sich heutzutage auch Balinandi Kambale ein, der während seiner Schulzeit Literatur in seiner Muttersprache vermißt hat und in der Folge eine Kurzgrammatik und ein Wörterbuch herausgebracht hat.
Zur Kommunikation vor allem bei der Jagd entwickelten die Bakonzo eine eigene Pfeifsprache (Emisughunda), mit der Informationen bis zu einem Kilometer Reichweite ausgetauscht werden konnten.

Die Musik der Bakonzo spielte und spielt eine bedeutende Rolle im sozialen Leben, religiösen Zeremonien, sowie zur Beeinflussung von Naturgewalten.
Vor allem der Tanz als ritualisierte Bewegung, als Verständigung durch Körpersprache, hat einen hohen Stellenwert in der Kultur der Bakonzo. Der Tanz, als Schautanz einer Gruppe vorgetragen, dient der Vermittlung von Information oder als Gemeinschaftstanz der Festigung der Gruppenidentität und Zusammengehörigkeit.
Die eigentliche Bedeutung ging im 20.Jhd., wie überall auf der Welt, durch kommerzielle Folklorisierung verloren, doch auch hier versuchen verschiedene Kulturgruppen die originalen Traditionen zu pflegen.

Es gab Tänze zur Geburt eines Kindes, zu den Initiationsriten junger Männer (Olhusumba) begleitet mit Hölzern (Omukumo), wo durch rhythmische Koordination der Musiker Melodien entstehen, ähnlich bei Eluma, einem Tanz, den ein Ensemble mit Flöten verschiedener Tonhöhen begleitet. Als Amasinduko wurde nicht nur ein Tanz, sondern die gesamte Zeremonie bei Begräbnissen bezeichnet.
Zu den Schautänzen zählt Omukobo, ein kriegerisches „Duell“ zweier Tänzer.
Ekikibi wird bei fröhlichen Festen, wie Hochzeiten, von Frauen und Männern getanzt, eine Art Werbetanz mit erotischen Anspielungen. Typisch sind die raschen Bewegungen des Brustkorbs.
Endara ist ein großes Xylophon, begleitet von Trommeln. Die Tänze (Amahandi) dazu dienten ursprünglich religiösen Zeremonien und Festen (z.B. Kubandwa, einem Erntedankfest und zu Ehren von Kithasamba, dem Beschützer des Ruwenzori).

Die Instrumente der Bakonzo werden oft nach den Tänzen, die sie begleiten, benannt:
Ngoma. Die Trommel diente neben der Begleitung von Tänzen und religiösen Zeremonien auch der Kommunikation.

Nyamulere. Eine große Bambusflöte mit vier Grifflöchern.

Eluma. Ein Ensemble mit kleinen eintönige Flöten.
Ngubi. Kuhorn.
Endara. Ein großes Xylophon; wird von zwei bis vier Musikern gleichzeitig gespielt.

Nzenze. Ein Zwei-Saiteninstrument mit einem Flaschenkürbis als Resonanzraum.
Nanga. Achtsaitige Lyra.
Nzenda. Fuß-Schelle.
Omukumo Klanghölzer.

Die traditionelle Bekleidung bestand hauptsächlich aus Fellen und Leder (Ngobi) und dem Rindenstoff (Lhubughu), von der Rinde des Mutuba Baumes (Muthoma), Ficus natalensis. Der Baum wird jährlich geschält und kann bei guter Pflege bis zu 40 Jahre verwendet werden. Die Rinde wird mit einem Holzschlegel (Yisango) zu dünnen Stoffbahnen verarbeitet. Die Herstellung des Rindenstoffes in Uganda wurde 2005 von der UNESCO zum immateriellen Kulturerbe erklärt. Auch heute ist es noch Tradition, Rindenkleidung zu besonderen Anlässen zu tragen und die Toten darin zu bestatten. Doch die hauptsächliche Beschäftigung mit diesem einzigartigen Material findet im Kunsthandwerk und den Bildenden Künsten statt.
Statussymbole waren das Tragen von Fellen des Leopardes (Ngwe) und des Colobus Affen (Ngeya).


Quellen:

Stacey, Tom (2003) Tribe: The Hidden History of the Mountains of the Moon. An Autobiographical Study. Stacey International, London.
Kambale, Balinandi (2006) Lhukonzo - English – English - Lhukonzo Dictionary. Fountain, Kampala.
Magezi, M.W., Nyakango, T.E., Aganatia, M.K. (2004) The People of the Rwenzoris: The Bayira (Bakonzo/Banande) and their Culture. Rüdiger Köppe, Köln.
Facci, Serena (2009) Dances across the boundary: Banande and Bakonzo in the Xxth Century. Journal of Eastern African Studies 3/2:350-366.
Pennacini, C., Wittenberg, H. (eds) (2006) Rwenzori: Histories and Cultures of an African Mountain. Fountain, Kampala.