- Darf ich bitten? Die Sprache der Bienen
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1973 erhielt Karl von Frisch den Nobelpreis für die Entschlüsselung der Tanzsprache der Honigbienen, ihrer Kommunikation, um ergiebige Futterquellen ihren Stockgenossinnen anzuzeigen.
Seine Experimente wurden vom 18. bis 25. Juni 2015 nachgestellt. Dafür wurden im Grazer ORF-Funkhauspark ein Beobachtungsstock aufgestellt und die Bienentänze mit Stoppuhr und Winkelmesser erfasst.
Weiters erlaubte ein computergestütztes Messsystem die schnelle Berechnung der von der Tänzerin angezeigten Position der Futterquelle und ihre Darstellung in einer interaktiven Karte.Erläuterungen zur Karte:
Am 18.Juni 2015 wurde der Beobachtungsstock im ORF-Steiermark Funkhauspark aufgestellt und mit dem Messen der Bienentänze begonnen.
Die Daten wurden über einen Zeitraum von einer Woche registriert und aktualisiert. - Geschichte der Entdeckung der Bienentänze
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Die Fähigkeit der Honigbienen rasch auf neue Futterquellen zu reagieren, war schon im Altertum bekannt. Aristoteles wird oft mit seinem Neunten Buch der Historia animalium als erste Erwähnung von Bienentänzen zitiert. Dieser Teil wird aber nicht mehr Aristoteles selbst zugeschrieben. Die beiden in Betracht kommenden Sätze erwähnen die Blütenstetigkeit der Bienen und das charakteristische Verhalten nach ihrer Heimkehr vom Sammeln:
„ Ὅταν δ' εἰς τὸ σμῆνος ἀφίκωνται, ἀποσείονται, καὶ παρακολουθοῦσιν ἑκάστῃ τρεῖς ἢ τέτταρες.“
(Wann immer sie in den Bienenstock zurückkommen, schütteln sie sich ab und drei bis vier Bienen begleiten diese)Schütteln wird als Beobachtung des Bienentanzes interpretiert, dabei lässt die Kürze der Beschreibung mit dem Wort ἀποσείω (sich schütteln, abschütteln) für den auffälligen Schwänzeltanz vermuten, dass Bienentänze wohl bekannt waren, aber vom Autor selbst nicht beobachtet wurden. Das Wort begleiten kann auf zwei Arten interpretiert werden: als Begleiten beim nächsten Sammelausflug oder Nachfolgen der Tänzerinnen im Stock.
Das ist ganz ähnlich zu Vergil, der in seiner Georgica mit dem Satz
„Aliae spem gentis adultos educunt fetus.“
(Andere führen die erwachsene Brut, die Hoffnung des Vokes, aus)nur dieses Hinausleiten von jungen Bienen aus dem Stock durch ältere, erfahrene Bienen erwähnt.
Bei Plinius dem Älteren in seiner Naturalis Historiae findet sich die gleiche Formulierung wie bei Aristoteles, aber in noch weiter verkürzter und in seiner Bedeutung geänderter Form:
„Excipiunt eas ternae quaternae, quae exonerant.“
(Drei oder vier Bienen empfangen sie und entladen diese)Eine erste detaillierte Aufzeichnung einer Beobachtung von Bienentänzen liefert Johann Ernst Spitzner 1788 in seinem Buch „Ausführliche Beschreibung der Korbbienenzucht im sächsischen Churkreise, ihrer Dauer und ihres Nutzens, ohne künstliche Vermehrung nach den Grundsätzen der Naturgeschichte und nach eigner langer Erfahrung.“ Darin schreibt er:
„Wenn eine Biene irgendwo vielen Honigvorrath angetroffen hat, macht sie solches nach ihrer Heimkunft den anderen auf eine sonderbare Art bekannt. Sie wälzt sich voller Freuden auf denen im Korbe befindlichen im Kreise herum, von oben hinunter und von unten hinauf, damit sie ohne Zweifel den an ihr befindlichen Honiggeruch vermerken sollen; denn sie folgen bald derselben in Menge nach, wenn sie wieder ausgehet. Ich habe es am Glasstöckchen bemerkt, da ich etwas Honig unweit davon auf das Gras legte, und nur zwo Bienen aus demselben darzubrachte. In wenigen Minuten da diese es den andern auf solche Art erkannt gemacht hatten, kamen sie in Menge an den Ort. Ich wollte daraus sehen, wie es zuginge, daß wenn oft nur eine Biene in einen fremden Korb zum Naschen komme, das ganze Volk sogleich als eine Räuberbande auf denselben herfalle.“
Weit ausführlicher wurde der Bienentanz 1823 von Nicolaus Unhoch beschrieben, wenn auch er dafür noch keine Erklärung fand: „Anleitung zur wahren Kenntniß und zweckmäßigsten Behandlung der Bienen nach drey- und dreyßigjähriger genauer Beobachtung und Erfahrung.“
- §.13. Von dem Bienentanze.
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„
Es wird Manchem lächerlich, ja wohl gar unglaublich scheinen, wenn ich behaupte,
daß auch die Bienen, wenn anders der Stock in gutem Stand ist, gewisse
Lustbarkeiten und Freuden unter sich haben, daß sie sogar auch nach ihrer Art
zuweilen einen gewissen Tanz anstellen. Ich habe dieses schon sehr oft beobachtet, und jeder,
der einen Bienenkasten mit Gläsern hat, kann diesen Scherz der Bienen öfters mit
Augen ansehen, und sich davon überzeugen. Eine einzelne Biene drängt sich
unvermuthet zwischen andere 3 bis 4 ruhigstehende Bienen hinein, steckt den Kopf auf den
Boden, streckt die Flügel auseinander, und zittert mit ihrem aufgerichteten
Hinterleibe eine kleine Weile, die nächststehenden Bienen thun auch ein Gleiches,
stecken ihren Kopf auf den Boden, endlich drehen sie sich miteinander in etwas mehr als einem
Halbzirkel bald rechts bald links fünf bis sechs Mal hin und her, und machen einen
förmlichen Rundtanz. Auf einmal geht die Tanzmeisterin von ihnen hinweg, gesellt sich
auf einer anderen Seite unter andere ruhigsitzende Bienen hinein, und thut wieder ein Gleiches,
wie das erstemal und die nächststehenden Bienen tanzen mit ihr. Die Tanzmeisterin wiederholt
ihren Tanz öfters vier bis fünf Mal nacheinander an verschiedenen Seiten.
Ich habe dieses öfters mehreren Bienenfreunden gezeigt, die sich sehr verwunderten,
und herzlich darüber lachen mußten.
Ich beobachtete diesen Tanz meistens nur an schönen heitern Tagen, und bey guten Stöcken, hingegen bey trübem Wetter und an magern oder weisellosen Stöcken wird man ihn nie wahrnehmen.
Was eigentlich dieser Tanz bedeuten soll, kann ich mir noch nicht erklären; ob es vielleicht eine muthige Freude und Aufmunterung unter ihnen selbst ist, oder ob es aus einem andern noch unbekannten Zweck geschieht, das muß die Zukunft lehren, und mit diesem Bienenballet schließe ich nun mein erstes Heft. “
Mit diesem Informationshintergrund beobachtete Karl von Frisch 1919 am Zoologischen Institut der Münchner Universität zum ersten Mal Rund- und Schwänzeltänze der Honigbiene. Intensive Forschungen und Versuche über einen Zeitraum von 26 Jahren führten dann zur Entschlüsselung der „Tanzsprache“, wofür ihm schließlich 1973 (gemeinsam mit Nico Tinbergen und Konrad Lorenz) der Nobelpreis verliehen wurde.
Interessant ist auch die späte Entdeckung der Bienentänze auf der Schwarmtraube durch Martin Lindauer (1951). Auf der Suche nach einem neuen Nistplatz zeigen die zurückkehrenden Spurbienen die Lage des erkundeten Orts durch das gleiche Tanzverhalten an wie für die Kommunikation der Futterplätze. Es ist ein beeindruckendes Schauspiel, wenn kurz vor dem Abflug Einigkeit herrscht und viele Bienen auf der Oberfläche der Traube schließlich in die gleiche Richtung tanzen.
Inzwischen gibt es eine Flut von detaillierten Beschreibungen der Bienentänze von allen bekannten Honigbienen. Auch liefern Versuche mit „tanzenden Bienenrobotern“ Details über die einzelnen Komponenten der Tanzsprache. Daher kennt man nun ganz gut die Kodierung, mit welcher Information über Position und Qualität einer Futterquelle weitergereicht wird.
Diese Eigenschaft des Tanzverhaltens von Honigbienen führt dann dazu, dass Information von einem erfahrenen Individuum auf ein unerfahrenes übertragen wird, konkret, dass dieses mit der gewonnenen Information den von der anderen Biene aufgespürten Futterplatz auch finden kann. Das macht „Tanzen“ bei Honigbienen zu einer „Sprache“. - Was ist Sprache?
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Das Konzept der Vergleichenden Verhaltensforschung ist noch nicht alt.
Karl von Frisch hat 1973 für die Entdeckung der Tanzsprache der Honigbienen den Nobelpreis (für Medizin) erhalten. Damals wurde die Vergleichende Verhaltensforschung salonreif. Es war und ist damals wie heute nicht selbstverständlich, Domänen wie „Kultur“, „Bewusstsein“ oder „Sprache“, die „immer schon“ als Merkmale dafür herangezogen wurden, um Mensch vom Tier zu unterscheiden, einfach auf „Niedere Lebewesen“ wie Insekten zu übertragen. Um solche vergleichende Analysen zwischen Mensch und Tier überhaupt durchführen zu können, müssen Definitionsbegriffe geklärt und die damit gemeinten Verhaltensäußerungen grundsätzlich verstanden sein.Sprache als Werkzeug zur Kommunikation.
Man kann unter „Sprache“ Systeme von Einheiten und Regeln verstehen, die den Mitgliedern von Sprachgemeinschaften als Mittel der Verständigung dienen. Sprachliche Kommunikation beinhaltet, jedenfalls beim Menschen, die Produktion von Signalen, die sich über Syntax verbinden und Semantik aufweisen. Damit ein Sender wichtige Botschaften an Empfänger übertragen kann, sind allerdings nicht alle diese Komponenten auf einmal notwendig; zum Beispiel kann die Syntax („Grammatik“) zu einem Teil auch im Signal enthalten sein. Das ist auch für den zwischenmenschlichen Bereich so, in dem sogar in einem großen Ausmaß nonverbale Kommunikation durch Signale mit einfacher oder sogar komplexer Semantik stattfindet. Diese Form der Kommunikation beruht auf Gestik, Mimik, Blickkontakt, auf Lachen, Erröten, auf die Gestaltung des Erscheinungsbilds durch Kleidung, Accessoires, wie der Verwendung von Parfums, durch die Frisur, oder auch die Präsentation von Eigentum. Die Botschaften, die dadurch ausgetauscht werden, können vielfältige Lebensbereiche bedienen und begleiten, vor allem im sozialen Kontext, aggressive, vertrauenserweckende, oder sexuelle Handlungen, und betreffen auch solche, die der Verteidigung oder dem Nahrungserwerb dienen.Sprache um Nahrungsbeschaffung oder das Auffinden von Nistplätzen zu erleichtern.
Im Funktionsbereich der Nahrungsbeschaffung hat sich bei Honigbienen ein instinktiv geregeltes Signalverhalten entwickelt. Damit kann eine Sammlerin ihre Botschaft („ich habe eine reichhaltige Futterquelle gefunden“) einer Stockgenossin mitteilen. Der Sinn dieser Botschaft ist dabei aber nicht nur, dass die Stockgenossin am mitgebrachten Sammelgut kostet und damit auch die Qualität der Aussage testen kann, sondern auch, dass diese in den Kenntnisstand versetzt wird, dorthin zu fliegen, woher dieses Produkt (Nektar oder Pollen) von der Überbringerin herangeschafft wurde. Damit hat sich im Laufe der letzten 10-30 Millionen Jahre bei Honigbienen ein effizienter Weg gefunden, den Bedarf einer Kolonie mit Nahrung durch die positive Rückkopplung eines „Schneeballsystems“ rasch sättigen zu können. Eine solche Botschaft hat also diesen Stellenwert, dass der Ort der Futterquelle auch von der unerfahrenen Sammlerin, die die Botschaft übermittelt bekam, gefunden werden kann. Dies erfordert aber durchaus komplexe semantische Elemente, damit das Resultat der Orientierungsleistung der erfahrenen Sammlerin auf das Orientierungsvermögen der angeworbenen Sammlerin übertragen werden kann.Die Anwendung dieses Tanzverhaltens ist dabei nicht nur auf Nahrungsbeschaffung beschränkt. Es wird auch dazu eingesetzt, bei der kollektiven Entscheidungsfindung für die Wahl eines Nistplatzes eine zentrale Rolle zu spielen. Schwärmt eine Königin mit einer Schar von Stockgenossinnen vom Mutternest aus, setzt sich dieser Schwarm am erstbesten Platz nieder. Von da aus werden Scouts entsandt, um günstige Nistmöglichkeiten zu suchen. So kommt es, dass die verschiedenen Gruppen der Scouts in ihren Tänzen unterschiedliche Richtungen und Entfernungen angeben. Nach einer Zeit harmonisieren sich diese Angaben derart, dass eine überwiegende Anzahl von Tänzen die gleiche Entfernungs- und Richtungsweisung zeigen. Dann ist die Entscheidung gefallen. Der Schwarm setzt sich ab und versucht den Nistplatz bei der angegebenen Richtung und Entfernung zu finden. Die Scouts führen dabei den Schwarm zur gewählten Niststelle.
- Wie funktioniert die Informationsübermittlung von der erfahrenen auf die unerfahrene Sammlerin?
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Nachdem eine Honigbienen-Arbeiterin vom Sammelflug heimgekehrt ist, bietet sie, wenn sie dazu motiviert ist, Information über die Position und Qualität der von ihr gefundenen, reichhaltigen Futterquelle an. Die Position dieser Futterquelle ist durch die Angabe von Richtung und Entfernung ausreichend bestimmt, und die Qualitätsprüfung erfolgt durch Verkostung (im Falle des Nektars) oder durch Geruchsaufnahme (bei Pollen). Allerdings können diese semantischen Inhalte nicht so einfach auf Interessenten übertragen werden. Es müssen erst mal Interessenten gewonnen werden, die bereit sind, dieser Botschaft zu lauschen, und diese dann auch in die Tat umsetzen, indem sie zur angegebenen Futterquelle aufbrechen und diese auch finden.
Tänzerinnen und Nachtänzerinnen.
Die angekommenen Sammlerinnen wecken das Interesse durch ein auffälliges Verhalten, das auch im Stockdunkel des Bienennests wahrgenommen werden kann. Sie zeigen ein rhythmisches Schüttel- und Lokomotionsverhalten. Sie zeigen dieses Verhalten auf einer Wabenfläche gleich in der Nähe des Einfluglochs. Dort müssen sich dann jene Stockgenossinnen einfinden, die die Absicht haben, auf einen Sammelflug aufzubrechen.
Dieses Schütteln und sich dabei Fortbewegen geschieht in einem immer wiederkehrenden Rundkurs oder in einer sich wiederholenden quergestellten Achterschleife. Dieses Verhalten wurde schon früher als „Bienentanz“ benannt, und weil auf dem geraden Teilstück der Achtermitte mit dem Abdomen geschüttelt wird („Schwänzeln“), bezeichnete Karl von Frisch diese „Tanzform“ auch als „Schwänzeltanz“. Es ist dieses „Schwänzel“-Verhalten, das bei den Stockgenossinnen deshalb besondere Aufmerksamkeit erregt, weil es durch Flügelschläge begleitet wird. Man hat nämlich gemessen, dass diese Flügelbewegungen als Schallschnelle (nicht als Schalldruck) dann wahrgenommen werden können, wenn sich Stockgenossinnen ganz nahe an die „Tänzerin“ heranbegeben. Auf Grund dieses Verhaltens werden sie auch als „Nachtänzerinnen“ bezeichnet.Die Richtungsweisung des Bienentanzes.
Diese Nachtänzerinnen müssen sich nun auf die „semantisch“ gestalteten Signale konzentrieren: Sie müssen messen, wie rasch dieses Schwänzeln von der Tänzerin hintereinander gesetzt wird und zweitens, in welcher Ausrichtung diese Schwänzelstrecke auf der senkrechten Wabe erfolgt. Alle diese Messungen können im Stockdunkel vollzogen werden. Dafür benötigen die Tänzerin wie die Nachtänzerinnen einen Zeitsinn, der die Wiederholungsrate bestimmen lässt, und den Gravitationssinn, der die Richtung der Schwänzelstrecke in Bezug auf die Lotrichtung messen lässt. Dazu kommt aber auch noch die außerordentlich komplexe Aufgabe, dass die Bienen die Information der Ausrichtung der Schwänzelstrecke auf den aktuellen Sonnenstand zu übertragen haben. Die Tänzerin nimmt dabei den Stand der Sonne wahr, der als Azimutwinkel bereitsteht, um schließlich die Abweichung des Flugwinkels vom Sonnenazimutwinkel als einen Teil der Botschaft im Stockdunkel abzuliefern. Das geschieht dadurch, dass dieser Abweichungswinkel vom Sonnenazimut zum Abweichungswinkel vom Lot wird. Diese Transkription müssen auch die Nachtänzerinnen leisten, aber nur umgekehrt. Sie müssen von der Abweichung zum Lot auf die Abweichung vom Sonnenazimut schließen.Die Entfernungsweisung des Bienentanzes.
Eine ähnlich schwierige Aufgabe ist es für die Bienen, die Entfernung zwischen Stock und Futterquelle zu messen. Die Bienen verwenden dazu vor allem die Geschwindigkeit des im Flug vorbeistreichenden visuellen Musters, das auf sie für die Zeit des Hinflugs einwirkt. Die Umsetzung dieses Entfernungswerts in einen semantischen Code geschieht über das „Tanztempo“, das heißt, wie schnell die Bienen diese Achterschleifen vollziehen und entlang der Achtermitte „schwänzeln“. Ein hohes Tempo signalisiert Nähe, ein langsames Tempo größere Entfernung zur Futterquelle. Karl von Frisch hat in seinen Experimenten die Bienen zu künstlichen Futterquellen durch entsprechend hohe Zuckerkonzentrationen bis zu 10 km Entfernung trainieren können. Die durchschnittliche Entfernung, zu der die Bienen vom Stock aufbrechen, liegt allerdings viel näher, nämlich zwischen 200 und 1000m.Auf jeden Fall sind die so gewonnenen Positionsdaten nicht punktgenau vorzustellen. Zum einen spielen viele Umweltfaktoren zu Unterschieden im Tanztempo, wie Temperatur, Windstärke und Windrichtung, das Gelände, sowie die Verschiedenheit der einzelnen Bienenrassen eine Rolle, zum anderen auch eine gewisse „Ungenauigkeit“ der einzelnen Biene, die eine zum Teil beträchtliche Messtoleranz ergeben. In der Regel sind diese Ungenauigkeiten vernachlässigbar, denn natürliche Futterquellen sind, zum Beispiel im Fall einer Magerwiese, die mit Blüten übersäht ist, ohnedies breitflächige Ziele, die schwerlich verfehlt werden können. Die Bienen benötigen aber gerade aus diesem Grund noch Fähigkeiten, sich auch über Landmarken zu orientieren, und darüber während des Sammelflugs eigene Entscheidungen zu fällen, diese oder jene Futterquelle zu bevorzugen. Hat die einzelne Biene aber eine solche Entscheidung gefällt, bleibt sie vielleicht ihr ganzes Sammelleben bei ein und derselben Tracht, auf welche sie konditioniert ist.
- Das computergestützte Messsystem
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Aufbauend auf den Erkenntnissen von Karl von Frisch werden immer wieder neue Elemente der Tanzsprache der Bienen entschlüsselt. Messungen betreffen akkustische Signale, Vibrationen, die auf der Wabe übertragen werden, den Einfluss der abgegebenen Futterprobe und des Duftes. Mit Videoaufzeichnungen und Bildanalysen lassen sich exakte Messungen der Schwänzelphase durchführen.
Vieles wurde über Orientierung, Kommunikation und Gedächtnis der Bienen erforscht. Aber das Zusammenspiel aller Faktoren, die zum Bienentanz beitragen, seine Kodierung, wie sie die Nachfolgerin wahrnimmt, bleibt immer noch ein Rätsel.Deshalb bleibt die Messung des Tanzwinkels und der Tanzdauer, die stark mit der Entfernung zur Nahrungsquelle korreliert, das Mittel zur Wahl für Fragestellungen wie z.B. den Strategien der Futtersuche. Die Mesungen können mit Computerunterstützung effizient und in Echtzeit durchgeführt, und dadurch eine große Zahl an Tänzen erfasst werden.
Das System besteht aus einer Kamera, die die Tänze auf den Computermonitor überträgt, wo der Tanzwinkel mit Hilfe eines Joystick eingestellt werden kann. Die Dauer der einzelnen Umlaufzeiten zwischen zwei Schwänzelstrecken wird mit Hilfe eines Tasters registriert. Durch möglichst viele Tanzdurchläufe können durch Mittelwertbildung Unregelmäßigkeiten ausgefiltert werden. Die weitere Auswertung besteht aus der Bestimmung des Kurswinkels, wobei der Sonnenazimut aus der Uhrzeit über die Berechnung der wahren Ortszeit bestimmt wird. Zur Schätzung der Entfernung werden die gemessenen Umlaufzeiten mit den Daten aus Karl von Frisch (1965) verglichen (eine Zusammenfassung von 6267 Tänzen aus verschiedenen Versuchen über mehrere Jahre). Richtung und Entfernung werden schließlich zu geographischen Koordinaten des Zielpunktes umgewandelt, wobei der Algorithmus von Vincenty Verwendung findet.
Das Programm erlaubt noch die Eingabe von verschiedenen Parametern, wie Markierung der Bienen, bei Pollensammlerinnen die Farbe des Pollen, die Lage der künstlichen Futterquelle usw.. Neben der Speicherung der gesamten Daten werden die Koordinaten zusätzlich in eine Datenbank geladen, wo sie der Darstellung auf einer interaktiven Karte dienen.
- Weiterführende Literatur
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Landgraf, Tim (2013) ROBOBEE: A Biomimetic Honeybee Robot for the Analysis of the Dance Communication System. Freie Universität Berlin, Dissertation
Lindauer, M. (1975) Verständigung im Bienenstaat. Gustav Fischer, Stuttgart.
Meyer, Jörg (2008) Die Sonnenuhr und ihre Theorie. Harri Deutsch, Frankfurt am Main.
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Spitzner, J.E. (1788) Ausführliche Beschreibung der Korbbienenzucht im sächsischen Churkreise, ihrer Dauer und ihres Nutzens, ohne künstliche Vermehrung nach den Grundsätzen der Naturgeschichte und nach eigner langer Erfahrung. Johann Friedrich Junius, Leipzig.
Unhoch, Nikolaus (1823) Anleitung zur wahren Kenntniß und zweckmäßigsten Behandlung der Bienen nach drey- und dreyßigjähriger genauer Beobachtung und Erfahrung. Fleischmann, München.
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